Meine Vorbilder und Anreger II.













Erich Fromm

Ein Denker und Wissenschaftler, der einigen Einfluss auf mich ausgeübt hat war Erich Fromm. Der Schüler von Siegmund Freud (geb. 23.03.1900, gest. 18.03.1980) fand recht bald seinen eigenen Weg in der Psychoanalyse. Seine humanistische Psychologie bezieht das gesellschaftliche Umfeld des Menschen in die Beurteilung psychischen Probleme ein. Ich will hier nicht den Lebensweg dieses großen Denkers abhandeln, der an anderen Stellen ausreichend dargestellt wird. Schon als Schüler hatte ich mich mit Sigmund Freud und seinen Theorien auseinandergesetzt und fand das Thema Psychoanalyse sehr spannend. Später verdrängte ich deren Fragestellungen dann aber längere Zeit. Als ich mich während meiner Studentenzeit von meinen „marxistisch-leninistischen“ Ideologien löste, war ich erneut auf der Suche nach Ideen, die mir gemäß waren und so stieß ich auf das Buch „Die Kunst des Liebens“ (Erstveröffentlichung 1956) von dem mir bis dahin unbekannten Erich Fromm. Das Buch beschreibt verschiedene Formen der Liebe (Nächstenliebe, Mutterliebe, erotische Liebe, Selbstliebe, Gottesliebe) und stellt die kapitalistische Gesellschaft als großes Hindernis für eine entwickelte Liebesbeziehung unter Menschen dar. Er fordert vom Einzelnen eine Entwicklung seiner Persönlichkeit, weg vom Egoismus und Narzissmus. Mir gefiel das Buch damals sehr gut und ich las dann noch zahlreiche andere Werke von Fromm. Durch ihn fand ich Zugang zu Denkern wie Meister Eckhart, dem Zen-Buddhismus und andern. Allerdings störte mich sein doch noch recht traditionelles Geschlechterrollenverständnis und die Einordnung der Liebe unter homosexuellen Menschen als gestört oder unvollkommen. Er hat diese Einstellung später verändert und war zu der Zeit wohl noch stark von der allgemeinen Haltung der Gesellschaft in dieser Frage geprägt. Aber er sah bereits damals die Notwendigkeit der Veränderung der Gesellschaft zu einer humaneren und rationaleren. Das Schwergewicht sollte nicht mehr wie heute auf Wettbewerb und Egoismus liegen, sondern auf menschlicher Entwicklung und Wohl-Sein. „Unvereinbar miteinander sind das der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zugrunde liegende Prinzip und das Prinzip der Liebe.“(Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, DTV München 1995, S.204) „Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich selbst entwickelt, nicht etwas dem man verfällt. Ganz allgemein kann man den aktiven Charakter der Liebe so beschreiben, daß man sagt, sie ist in erster Linie ein Geben und nicht ein Empfangen.“ (Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, DTV München 1995, S.42) Er interpretierte Marx ganz anders als die die sogenannten „Marxisten“ aller Couleur und erhielt von ihm manche Inspiration, wie allerdings auch aus der Bibel, der Thora, dem Daodejing und Buddhistischen Schriften. So befasste er sich intensiv mit Fragen der Meditation, wobei er sich zuerst dem Zen-Buddhismus zuwandte, später aber den ursprünglichen Buddhismus und seine Achtsamkeitsmethoden bevorzugte. Sein letztes und bekanntestes Werk ist „Haben und Sein“, in dem er noch mal grundlegend die Frage der gesellschaftlichen Verhältnisse beleuchtet und zu einer grundlegenden Umwandlung unserer Gesellschaft auffordert. An die Stelle des Habens in Form der Herrschaft des Konsums und der Umwandlung aller Dinge in Waren und Kapital, soll das Sein treten. Das Haben bezieht sich auf Dinge, während das Sein sich auf die menschliche Handlung im Hier und Jetzt bezieht. „Was ich fand, legte mir den Schluß nahe, das diese Unterscheidung zusammen mit jener zwischen der Liebe zum Leben und der Liebe zum Toten das entscheidenste Problem der menschlichen Existenz ist; … daß Haben und Sein zwei grundlegend verschiedene Formen menschlichen Erlebens sind, ...“ (Erich Fromm, Haben und Sein, dtv, München 1976) Für mich eröffnete Fromm eine neue Perspektive zu einer humanistischen Gesellschaftsveränderung ohne Dogmen und unterdrückerische Praktiken. Im Laufe der Jahre musste ich nur erfahren, dass die schönste Theorie nichts nutzt, wenn sie die Menschen nicht oder nur verkürzt erreicht. Das gilt für ihn wie auch für andere kluge Ideen. Der Kapitalismus hat trotz aller Probleme, die er mit sich bringt, zu viele verlockende Angebote des Konsums und der Ablenkung von der Wirklichkeit. Das konnte man beim Fall der Mauer erleben, wo die Menschen es wichtiger fanden, so schnell wie möglich an die Konsummöglichkeiten des Westens zu gelangen, als sich mehr Zeit zu nehmen, Wege zu einer gerechteren Gesellschaft zu finden. Erich Fromms Werk bietet aber viele Gedanken, die zur Selbstreflexion und zur kritischen Betrachtung der Gesellschaft anregen. Mehr zu Erich Fromm auf der Seite des Erich-Fromm-Instituts in Tübingen „Ich glaube, dass die Verwirklichung einer Welt möglich ist, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat; in der der vorherrschende Beweggrund seines Lebens nicht das Konsumieren ist; in der der Mensch das erste und das letzte Ziel ist; in der der Mensch den Weg finden kann, seinem Leben einen Sinn zu geben, und in der er auch die Stärke finden kann, frei und illusionslos zu leben.“ Manuskript aus dem Jahr 1965 mit dem Titel „Some Beliefs on Man, in Man, for Man“, das von Fromm selbst nicht veröffentlicht wurde. Veröffentlicht in: Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA XI, S. 593-596

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