Ein Roman über Europa


Durch eine Freundin bekam ich kürzlich den Roman „Die Hauptstadt“ von Robert Menasse in die Hände. Er hatte für dieses Werk den Deutschen Buchpreis erhalten. „Da läuft ein Schwein!“ Mit diesen Worten beginnt der Roman und das Schwein wird sich durch die ganze Geschichte immer wieder mal bemerkbar machen. Ein Mord spielt nebenbei eine Rolle, aber Kommissar Brunfaut darf ihn nicht aufklären, da das politisch nicht gewollt ist. Der Mörder, der den Falschen erwischt hat, muss aber nun selbst um sein Leben fürchten, ohne zu wissen warum.

Die wichtigste Rolle in diesem Buch spielen Beamte der Europäischen Kommission. In der Generaldirektion Kultur soll ein Beitrag zur Feier des Jahrestags der Gründung der Kommission erarbeitet werden. Martin Sussmann, Mitarbeiter der Abteilungsleiterin Fenia Xenopulou, hat einen Vorschlag, der zwar von allen Seiten begrüßt, aber von höherer Seite gleich zum Abschuss frei gegeben wird. Denn Auschwitz und das „Nie wieder“ danach sollte dabei eine Rolle spielen.

Manasse zeigt eine gute Kenntnis der inneren Verhältnisse in der Europäischen Kommission. Der ursprüngliche Geist der Vereinigung Europas spielt heute nur noch eine geringe Rolle. Nationale Engstirnigkeit und Karrierestreben der Beamten sind nach seiner Beschreibung das herausstechende Merkmal der EU-Behörden. Dabei gibt es durchaus noch Verfechter des Unions-Gedankens, in dem Roman dargestellt durch die Figur des Professor Erhard. Der macht in einem Gremium den Vorschlag, in Auschwitz einen neue europäische Hauptstadt zu bauen, um damit der Vereinigung der Nationen einen neuen Schwung zu geben. Natürlich findet er nicht viele Befürworter dieses Gedankens. Die Hoffnung, dass übernationale Behörden und eine verflochtene Wirtschaft nach und nach dem Nationalismus den Boden entziehen und die Völker miteinander verbinden, habe ich auch geteilt und trage es nach wie vor als Wunsch in mir. Doch der Eigennutz nationaler Politiker ist zu groß. Sie sehen ihre Pöstchen und ihre Macht durch zu viel Vereinigung in Gefahr und bieten alles auf, um das Volk gegen Europa aufzubringen. Natürlich gibt es viel Bürokratie und viel Zähigkeit beim Vorankommen der Europäischen Einheit, aber daran schuld sind vor allem die nationalen Politiker und die Bevölkerung, die sich davon in die Irre führen lässt. Das pochen auf nationalen Interessen führt nur zu mehr Klein-Klein.

Robert Manasses Roman ist eine sehr anschauliche und humorvolle Darstellung europäischer Verhältnisse und seine Charaktere lassen ein Europa, was in Ansätzen durchaus schon da ist, lebendig werden.

Mein Traum sind immer noch die Vereinigten Staaten von Europa, mit dann weniger Bürokratie und mehr Kraft, um in der Welt eine positive Rolle zu spielen.

Suhrkamp Verlag

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