Eines meiner Lieblingsbücher: Nachtzug nach Lissabon

Es ist kein Krimi, kein Thriller, kein Abenteuerroman und doch hat mich dieses Buch sehr fasziniert. Merciers Buch über einen Latein-Lehrer, der durch die Begegnung mit einer lebensmüden jungen Frau auf das Buch eines Portugiesen stößt und durch dieses wiederum motiviert wird, sich in das Abenteuer zu stürzen, in Lissabon etwas über den Autor herauszufinden, enthält viel psychologisches Gespür, philosophische Erkenntnis und die Aufforderung, sich über sein eigenes Sein klar zu werden. Ich hatte das Buch vor Jahren bereits mit großem Interesse gelesen und nach dem ich auch den Film zu dieser Geschichte gesehen hatte, wollte ich sie noch einmal lesen. Sehr schnell war ich wieder völlig gefangen von dem Versuch des Berner Lehrers Gregorius, etwas über einen ihm völlig fremden Portugiesen herauszufinden. Er entdeckt dabei nicht nur vieles über dessen Leben als Arzt, als Mensch und als Widerstandskämpfer gegen das Salazar-Regime, sondern auch vieles über sich selbst. Besonders beeindruckend fand ich die Rede des jungen Amadeu Prado bei der Abiturfeier seiner Schule, die den Titel trägt: Ehrfurcht und Abscheu vor Gottes Wort. Sie beginnt mit den Worten: Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben. Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt. ...Ich brauche ihren Glanz. Ich brauche ihn gegen die schmutzigen Einheitsfarbe der Uniformen. Ich will den rauschenden Klang der Orgel hören, diese Überschwemmung von irdischen Tönen. Ich brauche ihn gegen die schrille Lächerlichkeit der Marschmusik. … Doch es gibt auch die andere Welt, in der ich nicht leben will: die Welt, in der man den Körper und das selbstständige Denken verteufelt und Dinge als Sünde brandmarkt, die zum besten gehören, was wir erleben können. Hier geht es um die Verteidigung des Schönen und Feierlichen gegen Intoleranz, Dogmatismus und Diktatur. Das Buch hinterließ mich nachdenklich und bereichert, weit mehr als ich mir davon erwartet hatte. Der Film verkürzt und verändert die Geschichte etwas, aber schafft es doch, seine Grundgedanken wiederzugeben.

Nachtzug nach Lissabon, Pascal Mercier, btb 2006

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